„Partizipation sei die Gesamtheit der Formen, d. h. direkte (unmittelbar persönliche) oder indirekte (mittelbar über Vertreter oder Institutionen), und Intensitäten, d.h. von geringfügigen bis 3 Partizipation umfassenden, mit denen Individuen, Gruppen, Kollektive durch selbstbestimmte Wahl möglicher Handlungen ihre Interessen sichern.“ (Wilpert, 1993, S. 359)
Partizipation lässt sich abgrenzen von Gleichberechtigung und Delegation:
Gleichberechtigung → Innerhalb der Partizipation kann ein Machtgefälle entstehen
Delegation → Weitergabe der Aufgaben, keine gemeinsame Erarbeitung
Es können zwei Vorgehen unterschieden werden:
Das normatives Entscheidungsmodell versucht zu klären inwieweit die Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung eingebunden werden sollen. Die Annahme:
Führungskräfte verfügen über unterschiedliche Entscheidungsstile in unterschiedlichen Situation.
⇒ Auswahl der Einbindung mit Hilfe eines Entscheidungsbaumes
Die Partizipationsmöglichkeiten sind im Folgenden absteigend sortiert, von „Beeinflusst von der Führungsposition“ bis „Entscheidungsfreiheit für die Gruppe“.
Entscheidung (Decide)
Beratung einzelner (Consult individually)
Beratung durch Gruppe (Consult Group)
Unterstützung (Facilitate)
Delegation (Deligate)
Autoritäre Entscheidung I (A1) → Führungskraft trifft Entscheidung selbst, auf Basis eigener Informationen
Autoritäre Entscheidung II (A2) → Führungskraft trifft Entscheidung selbst, Informationen werden bei Mitarbeitern eingeholt
Beratende Entscheidung I (B1) → Führungskraft trifft Entscheidung selbst, Diskussion mit einzelnen Mitarbeitern
Beratende Entscheidung II (B2) → Führungskraft trifft Entscheidung selbst, Diskussion mit ganzer Gruppe
Gruppenentscheidung (G2) → Gruppe trifft Entscheidung
Es kann vorkommen, dass mehrere Entscheidungsstile in Frage kommen. Eine Auswahl des passenden Entscheidungsstils kann getroffen werden anhand von Effizienzkriterien:
Zur geeigneten Auswahl kann ein Entscheidungsbaum verwendet werden:
Gibt es ein Qualitätserfordernis? Ist vermutlich eine Lösung besser als eine andere?
Habe ich genügend Informationen, um eine qualitativ hochwertige Entscheidung allein zu treffen?
Ist das Problem strukturiert?
Ist die Akzeptanz der Entscheidung durch die Mitarbeiter für die effektive Ausführung wichtig?
Wenn ich die Entscheidung alleine treffe, würde sie dann von den Mitarbeitern akzeptiert werden?
Teilen die Mitarbeiter die Organisationziele, die durch die Lösung des Problems erreicht werden sollen?
Wird es zwischen den Mitarbeitern vermutlich zu Konflikten kommen, welche Lösung zu bevorzugen ist?
Abhängig von der Zielsetzung sollten unterschiedliche Regeln beachtet werden:
Informationsregel → Führungskraft unzureichend Informationen: Vermeidung autoritärer Stil (kein A1)
Zielübereinstimmungsregel → Mitarbeiter unzureichend Informationen: Vermeidung partizipativer Stil (kein G2)
Regel für unstrukturierte Probleme → Unzureichend Information/Expertise: Autoritärer Stil vermeiden (kein A1, A2, B1)
Akzeptanzregel → Vermeidung autoritärer Stil (A1, A2)
Konfliktregel → Mitarbeiter uneinig: Vermeidung autoritärer Stil (A1, A2, B1)
Fairness-Regel → Entscheidungsqualität irrelevant: Verwendung partizipativer Stil (A1, A2, B1, B2)
Akzeptanz-Vorrang-Regel → Autoritärer Stil nicht akzeptiert: Verwendung parizipativer Stil (A1, A2, B1, B2)
Ein partizipativer Führungsstil hängt ab von:
Entscheidungsbedeutung
Wichtigkeit des Commitments
Führungsexpertise
Commitmentwahrscheinlichkeit
Unterstützung durch Gruppe
Gruppenexpertise
Teamkompetenz
Verarbeitung komplexer Informationen
Berücksichtigung verschiedener Sichtweisen → Demokratische Entscheidung möglich
Perspektivenvielfalt
Risikobereitschaft kann vorteilhaft sein
Größere Akzeptanz der Entscheidung
Kreativität durch Meinungsvielfalt
Zeitaufwand kann höher sein
Dominanz einiger Personen möglich
Konformität, Gruppendenken-Phänomen
Risikobereitschaft evtl. extrem
Verantwortungsdiffusion
Arbeitsplatz → Handlungsspielraum, Freiheitsgrade, Kontrolle
Gruppe → Qualitätszirkel, betriebliche Problemlösegruppe, Gesundheitszirkel, Projektgruppen, Teilautonome Arbeitsgruppe
Abteilungen → Partizipatives Management
Betrieb/Unternehmen → Industrielle Demokratie
Konzerne → Konzern-, Betriebs-, Aufsichtsrat
Kunden → Partizipative Produktentwicklung
Die Intensität kann der Partizipation kann unterschiedlich ausfallen. Sortiert von keiner Beteiligung bis absoluter Partizipation:
Nicht beteiligt
Informationen vor Entscheidung gegeben
Informationen vor Entscheidung inkl. Möglichkeit der Stellungnahme
Meinung wird berücksichtigt
Gleichberechtigte Teilhabe
Eigenständige Entscheidung
Es kann bei unterschiedlichen Arten von Entscheidungen mitbestimmt werden. Dazu gehört eine Beteiligung an:
Strategische Entscheidungen → Unternehmenspolitische, unternehmensstrukturierende Planung
Taktische Entscheidungen → Infrastruktur der Produktion
Operationale Entscheidungen → In Arbeitsgruppe und am Arbeitsplatz, Ressourceneinsatz
Voraussetzungen können auf der (1) individuellen oder der (2) organisationalen Ebene liegen.
Partizipation kann (1) indirekt oder (2) direkt erfolgen.
Betriebsrat
Gewerkschaften
Berufsverbände
Die Rechte auf eine Arbeitnehmervertretung sind im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) festgelegt.
BetrVG §7 → Ab 5 Beschäftigten Recht auf Betriebsrat, Wahlberechtigt ab 18 Jahren
BetrVG §8 → Kandidaten müssen mind. 6 Monate im Betrieb gearbeitet haben
BetrVG §9 → Größe Betriebsrat richtet sich nach Anzahl Wahlberechtigter
BetrVG §13 → Wahl in der Regel für 4 Jahre
Gewerkschaften haben unterschiedliche Aufgaben:
Helfen bei Betriebsratsgründungen
Unterstützen Beschäftigte bei betrieblichen Konflikten
Vertreten Beschäftigte bei Streitigkeiten (z.B. Tarifverhandlungen)
Seit den 1990er Jahren sinkt die Anzahl der in einer Gewerkschaft organisierten Mitarbeiter stetig. Von ca. 37% (1991) auf ca. 25% (2002).
Der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder ist vor allem in Schweden (ca. 85%) und Israel (ca. 43%) relativ hoch. Deutschland liegt im Vergleich eher im Mittelfeld.
Für Psychologen existieren z.B.:
Eine Arbeitsgruppen definiert sich durch:
Gemeinsam Auftrag für mehr als 2 Personen
Gemeinsame Handlungsorganisation
Gemeinsame Entscheidungen auf Grundlage des Tätigkeitsspielraums
Kommunikation
Mindestmaß gemeinsamer/geteilter Ziele/Kenntnisse
Sie können klassifiziert werden in:
Partizipative Kleingruppe (offline) → Qualitäts-, Gesundheits-, Projektzirkel (Problemlösung, welche über Kerntätigkeit hinaus geht)
Teilautonome Arbeitsgruppen (online) → Erstellung eines vollständigen Produkts/Dienstleistung übertragen
Beschäftigte | Organisation | Produktion |
Intrinsische Motivation | Verringerung hierarchischer Positionen | Verbesserung der Produktqualität |
Verbesserung Qualifikation/Kompetenz | Veränderte Vorgesetztenrolle | Verminderte Durchlaufzeiten |
Flexibilitätserhöhung | Veränderte Kontrollspannen | Verringerte arbeitslaufbedingte Wartezeit |
Erhöhte Arbeitszufriedenheit | Funktionale Integration | Verringerte Stillstandzeiten |
Abbau einseitiger Belastung | Erhöhte Flexibilität | Erhöhte Flexibilität |
Stressabbau durch Unterstützung | Stellenneudefinition | Verminderte Fehlzeiten |
Aktives Freizeitverhalten | Neue Lohnkonzepte | Verminderte Fluktuation |
Vollständige Tätigkeiten
Effizienz/Produktivität
Arbeitszufriedenheit/Commitment/Leistungsbereitschaft
Gesellschaftliches Engagement
Motivation zu selbstbestimmten Handeln
Kompetenzen/Fähigkeiten
Handlungs- und Entscheidungsspielraum
Additiv strukturierte Aufgaben → z.B. Brainstorming
Konjunktive Aufgaben → Gruppenleistung durch Gruppenmitglied mit geringster Leistung bestimmt (z.B. Bergsteigen)
Disjunktive Aufgaben → Gruppenleistung durch Gruppenmitglied mit der besten Leistung bestimmt (z.B. mathematische Aufgaben)
Eine Möglichkeit ist der Fragebogen zur direkten Partizipation im Büro. Dabei werden 7 Dimensionen erfasst, welche nach (1) Intensität der wahrgenommenen Partizipation und dem (2) Partizipationsveränderungswunsch aufgeteilt sind.
Arbeitsplatz
Arbeitsaufgaben
Arbeitszeit
Personalentwicklung
Arbeitsmittel
Arbeitsvertrag
Organisationsentwicklung
Die wahrgenommene Partizipation korreliert mit:
Nicht substantiell mit psychischen Stressoren
Positiv mit Ressourcen und Arbeitsinhalten
Positiv mit Arbeitszufriedenheit/Commitment
Negativ mit Kündigungsabsicht
Der VERA-KHR (Verfahren zur Analyse der kollektiven Handlungsregulation) erfragt 7 Entscheidungsbereiche:
Gruppenübergreifende Produktionsplanung
Gruppenorientierte Produktionsfeinplanung und –steuerung
Arbeitsverteilung/Personaleinsatzplanung
Gemeinsame Auftragsdurchführung
Lösungsvorschläge für technisch/organisatorische Probleme
Qualifizierungsplanung, Personalentwicklung
Entscheidung zur Selbstverwaltung
Erhöhter Informationsaustausch
Gründlicheres Problemverständnis
Wissen/Erfahrungen können eingebracht werden
Qualifikationserweiterung
Stärkerer Einfluss auf Produktivität, als auf Zufriedenheit
Befriedigung von Bedürfnissen höherer Ordnung
Reduktion von Widerstand / Wachsende Motivation (Kein direkter Zusammenhang Partizipation/Produktivität)
Positive Auswirkung v.a. bei Arbeitern mit weniger befriedigenden Aufgaben
Stärkerer Einfluss auf Zufriedenheit, als auf Produktivität
Der integrative Erklärungsansatz geht von zusätzlichen Variablen aus:
Persönlichkeitsfaktoren → Bedürfnis nach Unabhängigkeit, Geringer Autoratisms
Werte → Wichtigkeit von Partizipation
Komplexität → Reichweite der Entscheidungen
In einer Studie von 1997 wurden Studien zum kognitiven und zum motivationalen Ansatz verglichen. Insgesamt ergab sich ein wenig höhere Evidenz für den kognitiven Erklärungsansatz.
In einer Studie von 1986 wurden ebenfalls kognitiver, motivationaler und Kontingenzansatz verglichen. In dieser Studie ergaben sich leicht höhere Evidenzen für den motivationalen Ansatz.